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Mikroskopisches Leben im Gartenteich

 

Viele Menschen genießen es, während der wärmeren Jahreszeit am Rande eines Teichs zu sitzen und dabei die Vögel, Insekten und Pflanzen zu beobachten, die hier ihren sichtbaren Tätigkeiten nachgehen. Die gleichen Personen würden vielleicht nie einen zweiten Gedanken daran verschwenden, welche mikroskopischen Pflanzen und Lebewesen unterhalb der Wasseroberfläche ihres Teichs gefunden werden können. Die grünen, mikroskopisch kleinen einzelligen Pflanzen, die wir gemeinhin als Algen bezeichnen, gehören zu den schönsten Gebilden in der Natur; sie würden in jedermanns Garten sein, wenn sie die gleiche Größe hätten wie die größeren und bekannteren Pflanzen, die wir um uns herum sehen. Damit wir diese fast immer ungesehene Welt einmal näher betrachten können, brauchen wir ein Mikroskop. Der erste Mensch, der die Aufmerksamkeit der damals noch unvorbereiteten wissenschaftlich interessierten Gesellschaft auf diese Lebewesen lenkte, war ein niederländischer Tuchhändler namens Antony van Leeuwenhoek, der begann, sich sein eigenes Mikroskop zu bauen, nachdem er Robert Hookes Buch ,,Micrographia'' gelesen hatte. Er sah eine Vielzahl von kleinen und kleinsten Lebewesen in den vielen Teichen und Gräben, die sich überall in den Niederlanden finden. Er war der Erste, der die winzigen Körper der Bakterien sah und beschrieb, sicher eine große Leistung für jemanden, der keinerlei wissenschaftliche Ausbildung hatte, sondern nur einen nachfragenden Geist. Ein kleiner Wasserkörper wie ein Gartenteich enthält zahlreiche Mikrohabitate, in denen im Jahreslauf die verschiedensten Lebewesen gefunden werden können. Für die Süßwasseralgen und Protozoen gibt es drei Hauptbereiche: den Teichrand, das offene Wasser und das komplizierte Beziehungsgeflecht der Pflanzen, das manchmal in einem Teich gefunden wird. Viele dieser Lebewesen hängen von bestimmten Bedingungen des Sonnenlichts, Winds, Sauerstoffgehalts und der chemischen Inhaltsstoffe ab, nur eine kleine Abweichung vom Idealwert kann eine desaströse Wirkung auf das Lebewesen haben. Zu den wichtigsten physikalischen Bereichen eines Teichs gehört das Epjlimnion, das sich in den meisten Teichen nur wenige Zentimeter unterhalb der Oberfläche befindet und in dem sich die meisten photosynthetischen Vorgänge abspielen. Durch Sonnenlicht und Wind ist hier in den Sommermonaten eine gute Wasserbewegung und Durchmischung gewährleistet. Die Schicht auf dem Teichboden nennt man das Hypolimnion; sie kann sehr kalt dunkel sein und je nachdem,wie viel Detritus dort liegt und eine dichte Schicht auf dem Teichboden bildet, kann sie auch sehr sauerstoffarm sein. Zwischen diesen beiden extremen Schichten liegt das, was wir als Sprungschicht oder Thermokline bezeichnen. Dieses ist ein dünner Wasserkörper, der die beiden unterschiedlichen Temperaturgradienten des Epilimnions und Hypolimnions trennt. Wir dürfen dabei allerdings nicht vergessen, dass diese beiden Schichten nicht immer klar erkannbare Bereiche in jedem Teich sind, der Wind, Vögel und andere Tiere, aber natürlich auch eventuell eingesetzte Filtertechnik oder Bachläufe und Wasserfälle können sehr schnell die getrennt liegenden Schichten zerstören und durcheinander mischen. Natürliche Teiche im Flachland haben oft noch weitere Störeinflüsse, denn sie sind meist eutroph, d.h. sehr reich an Nährstoffen, die von den umgebenen landwirtschaftlichen Nutzflächen hineinfließen. Auch große Tiere wie Kühe und Schafe tragen dort viele Nährstoffe ein, wenn sie zum Trinken ans Wasser kommen.

Volvox aureus, ein häufiger Bewohner kleiner Gartenteiche

Einige der hier gezeigten Abbildungen zeigen die Grünalge Volvox, die in großer Zahl während der Sommermonate in Europa m Gartenteichen gefunden werden kann. Volvox gehört zur großen Gruppe der Algen, die Volvocales genannt werden. Es gibt etwa 50-60 Arten, die alle mobil sind, sich also aktiv durch das Wasser bewegen können. In Europa gibt es drei weiter verbreitete Arten. Der Organismus besteht aus bis zu 20.000 Zellen, die in einer einzigen Schicht angeordnet sind. Diese Schicht bildet eine Hohlkugel, die bis zu 1 mm im Durchmesser betragen kann. Die Zellen sind miteinander durch kleine, protoplasmatische Schnüre verbunden, die in der Vergrößerung auf dem Foto deutlich sichtbar sind. Jeder Zellkörper hat zwei deutliche Flagellen und einen roten Augenfleck, der Stigma genannt wird. Die Volvox-Algen können so gerade noch mit bloßem Auge betrachtet werden und man erkennt auch, wie sie ihre Richtung ändern. Das können sie durch Anhalten oder Verlangsamen der Bewegung der Flagelion auf einer der Seilen der Kolonie. Votvox ist phototaklisch. das bedeutet, dass sie sich zum Licht hin oder von ihm weg bewegen können, abhängig von der Intensität der Lichtquelle. Jede Zelle hat, wie erwähnt, einen Augenfleck, aber auf der einen Seite der Kolonie sind die Augenflecke größer und deswegen hat der Organismus eine polare Ausrichtung. In den Wintermonaten oder wenn sich die Bedingungen verschlechtern, formt sich aus Volvox eine Zygote, ein schützender Mantel als Zellschutz. Diese sinkt zu Boden und bleibt dort, bis sich die Bedingungen wieder verbessern. Die geschlechtliche Fortpflanzung findet statt, wenn ein Teil der Kolonie männliche Gameten produziert, die beweglich sind. Das geschieht normalerweise später im Jahr. Die Spermienpakete werden in das offene Wasser abgegeben und suchen dort aktiv nach einer Weibchenkolonie, wo dann die Befruchtung stattfindet. Nach der Befruchtung werden orangegelbe Eier gebildet. Die Tochterkolonien wachsen heran, werden erwachsen und unabhängig und durch ein Loch in der Zellschicht der Mutterkolonie in die Freiheit entlassen. Diese Tochterkolonien sind auf den Fotos gut zu erkennen. Die männlichen Spermienpakete sind nur gelegentlich innerhalb der Volvox-Kugel zu sehen. Die weiblichen Zellen haben eher sphärische Formen und auch verdickte Wände.

Vorticella, das Glockentierchen

Ein anderes faszinierendes Kleinlebewesen ist Vorticella, besser bekannt als Glockentierchen. Es kann normalerweise sehr dicht beieinander lebend gefunden werden, entweder an einem größeren Lebewesen oder an den Stängeln von Unterwasserpflanzen. Es gibt etwa 200 Arten dieses sesshaften Organismus'. Eines der ersten Dinge, die ein Beobachter sieht, der sich Vorticella anschaut, ist, dass sich sein ,,Stängel" wie eine Telefonschnur zusammenzieht, wenn - vermeintliche - Gefahr droht. Der Stiel ist stark zusammenziehbar, und das Glockentierchen kann eine Länge von 15 gm erreichen (1 gm entspricht 1/1000 mm). Eine Reihe von Cilien steht um das Cytostom oder Maul und produziert dadurch eine gerichtete Strömung, die Bakterien und andere kleine Nahrungsteilchen in den Körper spült. Dort werden sie in die Nahrungsvakuolen (die man sich als kleine Säckchen vorstellen muss) weiter transportiert. Dort werden Enzyme hinzugefügt und die Nahrung wird verdaut. Mit einem guten Mikroskop kann man sehen, wie sich die Nahrungsvakuolen durch den Körper bewegen. Wie bei vielen Protozoen ist der Salzgehalt im Körper höher als im umgebenden Wasser, deswegen wird ständig Wasser durch die semipermeable Zellmembran absorbiert. Um mit diesem letztendlich fatalen Zufluss von Wasser fertig zu werden, haben die Protozoen einen Weg entwickelt, um das Wasser wieder los zu werden. Das Wasser wird in einer Wasser sammelnden Vakuole konzentriert und von dort durch eine kleine Öffnung in der Zelloberfläche abgegeben, damit die Zelle nicht platzt. Diese Vorgänge werden in der Biologie als Osmose bezeichnet. Wenn die Glockentierchen zur Reproduktion bereit sind, teilen sie sich seitlich in der Mitte, wobei das Peristom oder die Glocke und auch der Stamm beim Eltern, tier bleiben. Die Tochterzelle, die auch als Telotroch bezeichnet wird, schwimmt weg und siedelt sich in einem neuen Teil des Teichs an, wo sie einen neuen Stamm bildet und der ganze Prozess wieder von vorne beginnt.

Spirogyra, die Schraubenalge

Eine andere Alge, die man schon mit bloßem Auge erkennen kann und die die Ursache für große, schwimmende Algenmatten sein kann, ist die Schrauben- oder Fadenalge Spirogyra, die auch in vielen Schulbüchern Eingang gefunden hat. Die Chloropiasten, die für die Photosynthese verantwortlich sind, sind dicht um das innere der Zellwand gewunden. Diese fadenartige Struktur ist der Ort, an dem die Pflanze Sonnenlicht und Kohlendioxid m Kohlenhydrate umwandelt, die dann für die Ernährung der Pflanze benutzt werden. Das Wachstum geschieht durch Abbrechen und sexuelle Reproduktion. Letztere geschieht, indem eine dünne Röhre zwischen zwei benachbarten Zellen gebildet wird und Zellkernmaterial von der einen in die andere Zelle transportiert wird. Das Resultat dieser Fusion sind die widerstandsfähigen Zygosporen, die auch schlechte Bedingungen überleben können. Aus den Zygosporen können sich dann unter günstigen Umständen neue Fäden bilden. Es ist schon erstaunlich, dass diese einzelligen Organismen fast alle Funktionen von Vielzellern ausüben können, das ist wirklich bewunderungswürdig, wenn man bedenkt, dass diese Lebewesen nur den Bruchteil eines Millimeters groß sind. Dieses hier waren nur drei der vielen Tausenden von Kleinstlebewesen, die sich in einem Teich finden. Das nächste Mal, wenn sie an Ihrem Teich sitzen, machen Sie sich vielleicht ein paar mehr Gedanken über die Welt, die nur einige Schritte von Ihnen entfernt ist und über die Tausenden von Pflanzen und Lebewesen, die dieses Biotop bewohnen.


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