Flechtwerk aus dem Gartenteich
Nachwachsende Rohstoffe zum Nulltarif und ein Ausflug in die Geschichte
Bei Teppich und Teich muss man nicht immer gleich an Algenteppich denken. Wasserpflanzen stellten früher eine wichtige Rohstoffquelle dar. Schuhe aus dem Sumpf, Taschen und Körbe aus dem Tümpel oder vielleicht sogar eine Schreibfeder? Mit etwas handwerklichem Geschick lassen sich viele nützliche Dinge selbst anfertigen.
Rohrkolben
Von Matten zum Abdecken oder Drauflegen, weichen Hausschuhen oder höheren Stiefeln, Taschen in allen Größen, Bienenkörben, Fußabstreifern oder großflächigen Wandverkleidung - was konnte man aus den getrockneten Blättern des schlanken Röhrichtgewächses nicht alles machen! Vor allem in Ungarn haben diese Techniken eine lange Tradition. Aber auch in anderen Gegenden Europas kennt man die Verarbeitung von Rohrkolben. In Spanien flechtet man zum Beispiel die Sitzflächen der typischen Holzsessel damit. Auch bei uns gibt es diese Stühle mit einer Sitzfläche aus Binsen- oder Rohrgeflecht - selbst heute gibt es Spezialisten, die sie noch anfertigen. Außerdem wurden die schwammigen Blätter zum Abdichten von Fugen bei Fässern genutzt.
Eine alte Geschichte
Verwendet wurde vor allem der Schmalblättrige Rohrkolben, Typha angustifolia. Alle Arten von Typha sind in der Natur geschützt: Von Ernteaktionen außerhalb des Gartenzauns daher bitte Abstand nehmen! Rohrkolben neigt im Gartenteich zum Wuchern, Teichbesitzer sind unter Umständen froh über den sommerlichen Rückschnitt. Die Rohrkolben treiben im nächsten Jahr ohnehin wieder aus. Geerntet wurde ab August (“wenn sich die Blätter an der Spitze zu kräuseln beginnen”, sagen die ungarischen Quellen) bis in den Herbst hinein. Verwendbar ist der untere, gut einen Meter lange Teil der Pflanze. Er besteht aus mehreren Lagen von ineinander geschachtelten Blättern, eigentlich verlängerte Blattscheiden, die einen Scheinspross bilden, und der Blüte in ihrer Mitte. Nach dem Trocknen der ganzen Stängel wurden die einzelnen Blätter auseinandergeschält und vor dem Flechten dann in Wasser eingeweicht.
Schwammig und leicht
Die Blätter fühlen sich auch im getrockneten Zustand noch schwammig an. Man kann sie leicht zwischen zwei Fingern zusammendrücken, sie geben dann wieder nach. Grund dafür ist das Luftgewebe oder Aerenchym, das die Sumpfpflanze ganz durchzieht. Große Hohlräume leiten den von der Pflanze produzierten Sauerstoff bis zu den Speicherorganen und Wurzeln unter Wasser. Die schwammige, luftgefüllte Konsistenz der Rohrkolben ist auch gleichzeitig ihr großer Vorteil. Dinge, die daraus gefertigt wurden, waren weich, hielten warm oder isolierten, etwa wie bei dem abgebildeten Topfuntersetzer, gegen Hitze.
Untersetzer: So wird´s gemacht
Die eingeweichten Blätter werden auf die gewünschte Länge zurechtgeschnitten und dann so eng wie möglich zu einem Quadrat oder Rechteck verwebt: einmal drunter, einmal drüber. Die Stängel schrumpfen etwas, wenn sie wieder trocknen. Daher sollte man hier wirklich mit engen Abständen arbeiten. Um das Flechtwerk zu fixieren, werden zwei schmale, der Länge nach halbierte Blätter am Rand des Gewebes unter und über den einzelnen, herausstehenden Flechtblättern herumgeführt und die Enden verknotet.
Seggen
Neben Rohrkolben spielten auch diverse Seggen (Carex-Arten) aus dem Sumpf eine wichtige wirtschaftliche Rolle. Da man sie aber im Garten seltener bei der Hand hat, da alle kräftig wuchern und im Gartenteich daher nicht sehr beliebt sind, muss man hier bei Bedarf wohl in der Natur ernten. Kein Problem, denn Seggen stehen nicht unter Naturschutz. Beim Naturpool allerdings mit seinem separaten Pflanzenbecken werden aber gerade solche stark wachsenden Pflanzen für die Wasserklärung und -reinigung eingesetzt, etwa die Ufer-Segge, Carex riparia. Sie schaffen rund um ihre Wurzeln ein aerobes Klima im Bodensubstrat, da ihre unterirdischen Organe Sauerstoff abgeben. Das ermöglicht es Mikroorganismen, sich dort anzusiedeln - und sie sind die Hautakteure, wenn es um die Klärung von Wasser geht.
Sehgen-Schnur: So geht´s
Die Gräser werden nach der Ernte getrocknet und dann zu Schnüren gezwirnt. Auch die Seggen sind leichter zu verarbeiten, wenn sie eingeweicht sind. Die Technik des Zwirnens ist schwierig zu beschreiben, einige trockene Grashalme werden jeweils zu einem Strang gedreht, wobei man gleichzeitig zwei Strängen erzeugt, die sich dank ihres Dralls von selbst umeinander wickeln - fertig ist die Schnur. Solche Schnüre sind wunderbar zum Aufbinden geeignet, denn sie sind sehr reißfest und robust - und nach Gebrauch landen sie auf dem Kompost. Früher wurden sie unter anderem auch zu Fußabstreifern weiterverarbeitet.
Seggen-Korb: gar nicht so schwer
Der abgebildete Korb entstand aus einer geflochtenen Seggenschnur. Jeweils mehrere getrocknete Blätter werden zu einem Strang zusammengefasst und mit zwei anderen Strängen wie in einem normalen Zopf verflochten. Kein Drehen, kein Zwirnen, sondern einfaches Flechten wie bei einer Mädchenfrisur ist gefragt. Mehrere Meter braucht es schon, um einen Korb daraus zu machen. Man legt also beim Flechten nach Bedarf immer wieder neue Blätter dazu und die Schnur wächst stetig. Der fertige, lange Strang wird nun von der Mitte ausgehend im Kreis gelegt und mit einer sehr langen, robusten Nadel und reißfestem Zwirn oder einem ähnlichen Material zusammengenäht. Dabei werden die Stiche von der Außenseite geführt und der jeweils äußerste mit dem nächstinneren Strang verbunden. Ein Fingerhut ist dabei eine große Hilfe. Wenn die Striche nur an einer Seite sichtbar sind, in unserem Fall an der Innenseite, so wird der Korb natürlich schöner. Der Zauber der Seggen liegt in den feinen Farbnuancen von gelb-beige über olivgrün bis rötlich.
Teichsimse
Eine weitere nützliche, in Vergessenheit geratene Flechtpflanze aus dem Teich ist die rundstängelige Simse, Schoenoplectus lacustris. Sie treibt aus einem unterirdischen Rhizom dunkelgrüne Halme, an deren Ende oder genauer gesagt etwas darunter dann ab Mai bis Juni die braunen Blütenbüschel sitzen. Die Halme tragen keine Blätter, die grünen Stängel übernehmen die Fotosynthese. Auch sie haben im Inneren ein Luftgewebe, was die Pflanze für allerlei Zwecke brauchbar macht. Schon seit der Steinzeit wird sie als Baustoff für Körbe und Matten genutzt, ganz wie der Rohrkolben. Auch Boote und Flöße aus Simsen sind bekannt. Geerntet wird im Juni. Den richtigen Zeitpunkt erkennt man daran, dass man die Halme recht leicht aus dem Boden ziehen kann, ohne dass das ganze Rhizom mitkommt. Hängt es dran, ist man zu spät, lässt sich die Simse nur mit Gewalt herausreißen, ist man zu früh. Da Simsen aber sehr stark wuchern, ist - sofern man sie im Gartenteich überhaupt duldet - dann und wann ohnehin eine Dezimierung angesagt.
Simsen, Seggen, Rohrkolben - wenn man bei diesem Thema weiter forscht, dann wird einem bewusst, dass es viele Sumpf- und Wasserpflanzen gibt, die früher wirtschaftliche Bedeutung hatten. Manche Verwendungen sind auch noch heute gebräuchlich.
Das war ein etwas anderer Blick auf den Gartenteich, der Ihnen hoffentlich viel Neues gezeigt hat.