Prachtlibellen am Gartenteich
Prachtlibellen seltene Gäste am Gartenteich
Es ist sicher ein beeindruckendes Erlebnis, wenn wir Prachtlibellen, die wohl schönsten einheimischen Kleinlibellen, an unserem Gartenteich bewundern dürfen. In solchen Fällen handelt es sich aber meist nur um einen kurzen Erkundungsflug, denn Prachtlibellen haben ihre angestammten Reviere an naturbelassenen Fließgewässern. In Mitteleuropa begegnen wir zwei Arten: der Gebänderten Prachtlibelle Calopteryx splendens und der Blauflügel-Prachtlibelle Calopteryx virgo.Im Mittelmeerraum beheimatet sind die Südliche Prachtlibelle C. xanthostoma und die Braune Prachtlibelle C. haemorrhoidalis.
Verhalten
Das Verhalten aller Calopteryx-Arten ist weitgehend identisch und unmittelbar an die Lebensansprüche ihrer Larven gebunden. Prachtlibellen-Larven benötigen vor allem strömende Gewässer mit einem hohen Sauerstoffgehalt. Wissenschaftler haben ihre Lebensräume noch etwas genauer definiert: Die Larven der Gebänderten Prachtlibelle finden optimale Bedingungen in naturbelassenen sauberen Bächen oder Flüssen, in denen die Fließgeschwindigkeiten zwischen 2-6 cm/s liegen und die Wassertemperatur 18 bis 24°C beträgt. Die Larven der Blauflügel-Prachtlibelle bevorzugen etwas kühlere und schmalere Bäche mit gleicher Fließgeschwindigkeit, in denen die Wassertemperatur bei etwa 13 bis 18°C liegt. In Fließgewässern mit diesen spezifischen Bedingungen herrscht demzufolge ein ausgewogenes, hohes Sauerstoffaufkommen. In stehenden Kleingewässern, wie einem Gartenteich, in dem sich der Sauerstoffgehalt an heißen Sommertagen oft drastisch reduziert, gerieten Calopteryx- Larven in Atemnot.
Lebensraum
Als Fluginsekt hat ein Prachtlibellen Weibchen keine Möglichkeit, ein ihm unbekanntes Gewässer auf seine Fließgeschwindigkeit und seinen Sauerstoffgehalt hin zu erkunden. Von kurzen Ausflügen abgesehen, bewegt es sich deshalb sein Leben lang in den engen Grenzen jenes Bach- oder Flussabschnitts, in dem es selbst als Larve gelebt hat. Nur hier ist sichergestellt, dass die von ihm stammende nächste Larvengeneration die optimalen Lebensbedingungen findet. Es kommt vor, dass unsere beiden heimischen Prachtlibellen - Arten C. splendens und C. virgo am gleichen Bach- oder Flusslauf anzutreffen sind und dort die für ihre Art typischen Reviere besiedeln. Blaufügel-Prachtlibellen bevorzugen Gewässerabschnitte mit karger Oberflächenvegetation. Gebänderte Prachtlibellen findet man eher in Bereichen mit flutenden Wasserpflanzen. Auf diese Weise versuchen sich die Arten voneinander zu isolieren. Die Männchen der Gebänderten Prachtlibelle beanspruchen etwas größere Reviere und nehmen mit dem Erreichen der Geschlechtsreife am Bach- oder Flusslauf einige Quadratmeter Wasser- und Uferfläche in Besitz.
Revierbildung
Optimale Gewässerabschnitte mit geeigneten Sitzwarten in der Ufervegetation und flutenden Wasserpflanzen in den Eiablagezonen sind jedoch heftig umkämpft. Prachtlibellenmännchen werden zu erbitterten Rivalen und versuchen einander mit riskanten Flugmanövern zu vertreiben. Wird schließlich ein Territorium von einem Männchen besetzt, versucht es dieses von seiner erhöhten Sitzwarte aus zu kontrollieren. Von Zeit zu Zeit hebt es von dieser Sitzwarte ab und unternimmt spiralartige Patrouillenflüge an der Grenze des Reviers entlang. Trotz seiner imponierenden Schauflüge kommt es aber nicht zur Ruhe und ist ständig gezwungen, sein Territorium gegen rivalisierende Artgenossen zu verteidigen. Zunächst öffnet es seine Flügel und zeigt dem Eindringling die Innenseiten. Dann hebt es zu einem Drohflug ab und macht sich dabei größer, als es ist. Mit synchronen Flügelschlägen öffnet es seine Flügelflächen wie ein Warnkreuz und versucht auf diese Weise den Rivalen abzuschrecken. Neben dem synchronen Flügelschlag, den Prachtlibellenmännchen für ihren Drohflug nutzen, können sie aber, wie andere Libellenarten auch, ihre Vorder- und Hinterflügel unabhängig voneiander bewegen. Dabei sind sie sogar in der Lage, die Schlagfrequenz und den Anstellwinkel zu verändern. Noch spektakulärer wirken deshalb jene lmponierflüge, bei denen sie ihre Vorderflügel bedrohlich starr halten und nur mit ihren Hinterflügeln weiterfliegen.
Paarung
Erscheint schließlich ein paarungsbereites Weibchen im umkämpften Revier, geraten die Prachtlibellenmännchen außer sich. Beim Balzflug erhöht sich die Schlagzahl ihrer Flügel auf das Dreifache. Aber im Gegensatz zu ihren Drohattacken versuchen sich die Libellenmännchen beim schwirrenden Balzflug so klein wie möglich zu machen. Wenn das umworbene Weibchen schließlich nicht abwehrend die Flügel spreizt, landet das erfolgreiche Männchen auf der sitzenden Partnerin und verankert seine Hinterleibszangen an ihrer Vorderbrust. Nun versucht das Männchen so schnell wie möglich, mit seiner Partnerin eine geschützte Stelle in der Ufervegetation zu erreichen. Denn schließlich missgönnen ihm andere Freier seine Eroberung. Sie attackieren das Paar mit akrobatischen Störflügen und versuchen es auseinander zu zerren.
Eiablage
Nach der Samenübergabe und Kopulation trennt sich das Paar. Das Männchen fliegt zu einer bestimmten Stelle im Revier. Es biegt seinen Hinterleib mehrfach nach oben und zeigt dem Weibchen die artspezifisch eingefärbte Unterseite. Diese Markierungen an der Unterseite der letzten Hinterleibsringe sind bei den Calopteryx-Arten unterschiedlich gefärbt. Gebänderte Prachtlibellen haben eine weiße Hinterleibszeichnung. Bei den Blauflügel-Prachtlibellen ist sie rosa. Die Südliche Prachtlibelle und die Braune Prachtlibelle unterscheiden sich durch gelbe und rote Signalpunkte. Auf diese Weise erkennen Prachtlibellen arteigene Partner und es werden Fehlpaarungen zwischen den sich ähnlich sehenden Insekten vermieden. Die Weibchen reagieren fast zwangsweise auf dieses Signal und lassen sich sofort zur Eiablage an der angezeigten Stelle nieder. Bei der Eiablage werden die Weibchen von ihren Männchen noch eine Weile gegen andere paarungsbereite Männchen verteidigt. Der Zudringlichkeit von fremden Männchen können sich eierlegende Weibchen aber mitunter nur dann entziehen, wenn sie vollständig im Wasser untertauchen. Der erfolgreiche Revierinhaber kehrt bald darauf auf seine Sitzwarte zurück, und sein Werben um andere Weibchen beginnt von neuem, so wie bereits beschrieben. Nicht selten kommt es dabei vor, dass ein Revierbesitzer gleich mehrere eierlegende Weibchen betreut. Die Konkurrenz unter Prachtlibellenmännchen beschränkt sich aber nicht nur auf die Eroberung von Weibchen mit Imponiergesten und riskanten Flugattacken. Die Männchen von Prachtlibellen besitzen einen löffelartigen Perus, mit dem sie den Spermavorrat eines Vorgängers aus dem weiblichen Geschlechtsapparat hervorholen und schließlich durch ihren eigenen Samen ersetzen können. Damit zeigen sie einen erstaunlichen genetischen Eigennutz, bei dem es um den Fortbestand ihrer individuellen Erbanlagen geht. Mit dieser egoistischen Prozedur machen Prachtlibellenmännchen die Chancen eines Vorgängers der eigenen Art zunichte. Zudem erfordert sie einen erhöhten Energieaufwand und mag uns deshalb nicht ganz logisch erscheinen. Denn schließlich lehrt uns die Natur, dass alle Verhaltensweisen allein der Arterhaltung dienen und Individualinteressen ausgeschlossen bleiben. Letztlich aber, und trotz ihres egoistischen Fortpflanzungsverhaltens, haben Prachtlibellen wahrscheinlich schon Jahrmillionen als Art überlebt und wir selbst sind für ihren Bestandsrückgang verantwortlich. Viele natürliche Fließgewässer wurde von uns verändert und durch Chemikalien oder Abwässer belastet. Aber nicht nur gravierende Eingriffe, wie das Einzwängen von Bächen und Flüssen in betonierte Betten, machen Fließgewässer für Prachtlibellen unbewohnbar. Auch eine von uns als umweltverträglich eingestufte Bachbegradigung erhöht die Fließgeschwindigkeit des Gewässers, verändert seinen Sauerstoffgehalt, verdrängt die einst charakteristische Unterwasservegetation und macht den Calopteryx-Larven das Überleben schwer. Im Gartenteich werden wir diese Libelle wohl nur in geeigneten Bachläufen mit entsprechender Vegetation in der Nähe natürlicher Vorkommen finden . Wer jedoch das Glück einer solchen Ansiedlung hat, der hat aktiv zum Schutz dieser selten gewordenen Libelle beigetragen.